Veganer fordern Todesstrafe – ist das euer Ernst?

Irgendwie stehe ich entweder ein bisschen auf dem Schlauch oder meine Definition des Wortes vegan ist gänzlich anders als von manch anderem.

Vegan bedeutet für mich, so gewaltfrei zu leben, wie ich kann und dieses gewaltfreie Leben soweit auszudehnen, wie es mir derzeit bewusst und möglich ist. Und da sich durch neue Informationen auch dieses Bewusstsein vergrößert, dehnt sich das Vegansein ganz von selber immer weiter aus, wenn man einmal damit angefangen hat.

Konkret heißt das, Tierleid zu vermeiden inklusive Menschenleid.

Konkret heißt das, dass das Töten von Tieren inklusive Menschen in den meisten Fällen ein Verbrechen ist – unabhängig davon, ob es bereits als solches gesetzlich verankert wurde.

Kein Verbrechen ist das Töten aus Notwehr (also um die direkte Bedrohung des eigenen oder eines anderen Lebens abzuwehren – ggf. ausdehnbar auf ein ansonsten unweigerliches Verhungern) sowie das Töten auf Verlangen, weil das Lebewesen aufgrund von Schmerzen nicht mehr weiterleben möchte. Inwieweit und ob überhaupt man Letzteres zweifelsfrei feststellen kann und ob Sterbehilfe bei Tieren inklusive Menschen ethisch vertretbar ist, ist eine andere Diskussion – jedoch hat sie, wenn sie aus Empathie erfolgt, für mich keinen sichtbaren kriminellen Hintergrund.

Vegansein ist also grundsätzlich ein gelebtes: Du sollst nicht töten.

Und das schließt selbstverständlich ein, dass du andere Menschen nicht zum Tode verurteilen darfst.

Du kannst sie verfluchen, wenn sie andere Lebewesen töten und du kannst sie auch am liebsten umbringen wollen, weil du so schockiert bist über das Leid, welches sie verursachen. Vielleicht bringst du sie sogar um. Und da es zum Glück gesetzlich vorgeschrieben ist, dass man keine Menschen töten darf, landest du dann wahrscheinlich vor einem Gericht. Dieses Gericht wird die Beweggründe prüfen, warum du einen Menschen getötet hast und diese Hintergründe in die Urteilsfindung miteinbeziehen. Und wenn du in Europa lebst, wird das Urteil nicht die Todesstrafe sein. Zumindest darauf können wir stolz sein in Europa.

Ich habe schon mehrmals irritiert in Diskussionen unter Veganern eine leichte Häme festgestellt, wenn Menschen durch Tiere zu Tode gekommen sind. Auch ich will mich nicht davon freisprechen, ein kurzes „selber Schuld“ in meinen Kopf aufblitzen zu sehen, wenn reiche Hobbygroßwildjäger aus Amerika nun selber zum Opfer von Raubtieren in Afrika geworden sind. Aber es ist nur ein kurzes Aufblitzen und der Weg dahin, diese Relativierung des Getötetwerdens nun auch noch schriftlich als richtig darzustellen, ist für mich zum Glück lang genug, um rechtzeitig daneben meine ethischen Grundsätze aufblitzen zu sehen. Doch ob selber schuld oder nicht: ob es jemand „verdient“ hat, zu sterben, liegt nicht in meinem Entscheidungsbereich. Und dass ein Mensch eben nicht entscheiden kann und darf, ob jemand den Tod „verdient“ hat, und somit die Todesstrafe abgeschafft wurde, ist eine der wenigen echten Errungenschaften in unserem Land und zumindest das ein positives Zeichen der Zivilisation.

Ein Veganer geht halt einfach noch einen Schritt weiter und bezieht alle Tiere in diesen Grundsatz mit ein.

Und nun diskutieren manche Veganer ernsthaft darüber, ob Wilderer, die Elefanten töten, den Tod durch den Staat verdient haben. Was ist denn daran vegan? Und wo zieht man dann die Grenze? Und wer zieht diese Grenze? Tiere zu töten ist demnach schlimmer als Menschen zu töten? Wie kann das sein, wenn gleichzeitig Veganer immer wieder darauf hinweisen, dass auch Menschen Tiere sind?! Und welche Auswirkungen hätte diese Einstellung auf unsere Gesellschaft, die derzeit noch zu 90 Prozent aus Menschen besteht, die Tiere töten lassen? Oder gilt dieser Ruf nach der Todesstrafe dann nicht für das qualvolle Töten von Schweinen in Deutschland sondern nur von Elefanten in Afrika? Oder von Hunden in Asien?

Froh bin ich natürlich über die zahlreichen Kommentare der dann eben doch meisten Veganer in den sozialen Netzwerken, die ebenso entsetzt sind wie ich. Menschen, die es geduldig erklärend aushalten, dass ihnen ernsthaft unterstellt wird, den furchtbaren Tod von Tieren zugunsten des Lebens von Verbrechern relativieren zu wollen.

Die meisten von uns haben sicher schonmal die sich ins Gehirn einbrennenden Fotos von sterbenden Elefanten gesehen, denen zusammen mit ihren Stoßzähnen der halbe Kopf fehlt. Und es kann durchaus nachvollziehbar (aber deshalb noch lange nicht richtig) sein, wenn jemand, der so ein Massaker mit ansieht, im Affekt den Elefantenmörder umbringt. Dennoch würde auch der selbsternannte „Elefantenrächer“ dann natürlich vor ein Gericht gehören, denn er hätte einen Menschen ermordet und das ist zu Recht verboten.

Doch man sollte doch annehmen, dass zumindest unter Veganern es sich von selbst versteht, dass kein Mensch oder gar Staat beurteilen darf, ob ein Elefantenmörder oder auch der Mörder eines Elefantenmörders den Tod verdient haben. Und selbstverständlich hätten beide ein faires Verfahren auch unter dem Aspekt ihrer Beweggründe verdient. Und möglicherweise wird sich herausstellen, dass der Elefantenmörder überhaupt nicht gerne Elefanten ermordet und auch mit dem Elfenbein nicht Millionär werden sondern seine Familie vor dem Verhungern retten will. Millionäre werden höchstens die, die ihn für sich arbeiten lassen und wahrscheinlich eher weniger vor Gericht landen. Und wenn der eine hingerichtet wurde, dann wird eben der nächste verheizt.. Doch das alles weiß auch ich nicht so genau und ist sicher von Elefantenmörder zu Elefantenmörder verschieden – und bedeutet selbstverständlich auch nicht, dass man ihn laufen und weitermachen lassen sollte.

Aber eins weiß ich: es geht hier erstmal nicht um die Frage der Schuld. Dieser Frage gehen Gerichte nach. Es geht darum, dass ob schuldig oder nicht, die Todesstrafe nicht vegan ist. Denn auch die Todesstrafe ist Mord.

Und ich bin schockiert, dass man darüber hierzulande überhaupt reden muss.

Und noch schockierter, wenn diese Diskussion von einer veganen Internet-Seite ausgeht, die ansonsten zwar recht plakative, aber durchaus informative und brauchbare Beiträge liefert. Eine vegane Organisation muss sich selbstredend unmissverständlich von der Todesstrafe distanzieren – anstatt sie ernsthaft „sachlich“ zur Diskussion zu stellen. Selbstverständlich ist das Problem der Wilderei ein riesiges, furchtbares, sehr komplexes und natürlich auch ein veganes Thema und es geht nicht darum, das Leid der Elefanten zu relativieren – doch gerade deshalb hätte ich mir auf einer Seite für Veganer eine konstruktive Ausrichtung schon in der Fragestellung gewünscht. Wir brauchen Lösungsansätze, die Mensch UND Elefant helfen, anstatt Fronten zu verhärten und somit letzten Endes natürlich auch den Tieren mehr schaden als helfen. Ich dachte, wir Veganer stehen für Frieden und das Einbeziehen aller Lebewesen – und nicht für weitere Ausgrenzung und noch mehr Leid und Tod.

Für mich bedeutet vegan zu sein weiterhin, die Idee der Gewaltfreiheit jeden Tag auf’s Neue und so gut ich gerade kann, umzusetzen. Dabei geht es nicht darum, den perfekten Veganer abzugeben und somit auch nicht darum, nicht wütend und vielleicht sogar auch mal mordlustig sein zu können. Doch die Idee, über einen „verdienten“ Tod von staatlicher Seite aus urteilen zu dürfen, widerspricht jeglichem veganen Streben von Grund auf. Und wenn diese Vermischung von zwei entgegengesetzten Richtungen Schule macht, dann wird eine „vegane“ Zukunft die Welt nicht freier und empathischer machen, sondern neue Grenzen erschaffen – die vegane Idee würde ihre eigenen Kinder fressen…

Also denkt nochmal in Ruhe darüber nach, wo ihr lang wollt – und informiert euch zum Beispiel hier, bevor ihr kommentiert.

ach soja: ACHTUNG – wenn ihr einen Link in meinem Text anklickt, dann verlasst ihr meine Seite und landet auf der verlinkten Seite – falls das jemandem noch nicht bewusst war ;)

 

zum Weiterlesen:

https://www.amnesty.de/2012/9/7/nein-zur-todesstrafe-10-gruende-fuer-ihre-abschaffung

https://www.petazwei.de/kenia-fuehrt-die-todesstrafe-fuer-elefantenjaeger-ein

https://www.dw.com/de/wilderei-im-nationalpark/a-16407870

PS: leider stellt mir WordPress in meinem Tarif bisher keinen gesetzeskonformen Teilen-Button zur Verfügung, deshalb bitte ich euch, wenn ihr meine Artikel in den sozialen Netzwerken teilen möchtet, hier den umständlicheren Weg über kopieren und einfügen in Kauf zu nehmen. Danke :)

 

 

 

 


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