Einige von euch habe ich vielleicht schon vor den Kopf gestoßen, weil ich so ein Blogparadenmuffel bin. Das werde ich wohl auch weiterhin sein. Dennoch mache ich heute mit Freude eine Ausnahme für Cordula mit ihrem inspirierenden und gern von mir verfolgten Blog Wir essen Pflanzen.
Ein Grund: das Thema „Was hat sich verändert seit du Veggie wurdest?“ klingt nicht nur spannend, sondern deckt sich auch gerade mit meinen Ambitionen. Nachdem ich nämlich kürzlich des öfteren gefragt wurde, ob ich mich anders fühle, seit ich rein pflanzlich esse, hatte ich schon überlegt, mit einem Artikel zu antworten. Ein Rezept soll es dann auch noch sein – ich hoffe, dazu fällt mir noch was ein, liebe Cordula, denn ich koche fast immer rezeptfrei. Fang ich also mit dem Leichteren an ;)
Vegan zu werden kann eingeläutet werden mit einem Paukenschlag zum Beispiel in Form eines Films – oder durch das Hineinwachsen, wie bei mir. Ich wurde vor fünfzig Jahren geboren und vier Jahre später wurden meine Eltern zu Spinnern, denn sie fingen an zu meditieren und hörten auf, Fleisch zu essen – was damals noch unerhörter war als heute. Und ich aß eben das, was Vierjährige meistens essen: was auf den Tisch kommt. Das war bei meinen Eltern Gemüse und bei meinen Großeltern Fleisch. Auch in die Wiege gelegtes Wissen muss einem erst selber bewusst werden, um es wirklich leben zu können – doch war der Grundstein zu erhöhter Aufmerksamkeit gegenüber gesellschaftlichen Normen schonmal gelegt. Heute finden einige, dass ich spinne und somit können meine Eltern stolz auf mich sein. Allerdings hab ich es heute wahrscheinlich amüsanter als sie vor fünfzig Jahren.
Da ich also nicht mit einem Paukenschlag vegan wurde, kann ich Veränderungen gar nicht zeitlich festmachen. Facebook war vielleicht nochmal ein kleiner Trommelwirbel, als ich mich 2010 dort anmeldete. Auf einmal war vegan keine Privatsache mehr. Das ist gut – kann aber manchmal auch anstrengend sein.
Vorher habe ich eben einfach mein Leben gelebt, habe mit zwanzig endgültig aufgehört, Fleisch zu essen, habe Fisch zeitweise nicht dazu gezählt (warum? ich weiß es nicht..), ich hatte rein pflanzliche Phasen und eigentlich immer das Ziel, keine tierischen Produkte mehr zu konsumieren, weil es sich irgendwie schmutzig anfühlte. Doch keiner gab Regeln vor, was ich vegan nennen durfte und so konnte ich einfach probieren, studieren und hineinwachsen. Schon als Kind fand ich Milch ekelhaft und alles, was ranzig oder sauer werden konnte, schien mir eigentlich nicht für meinen Körper bestimmt, der ja nun keine Kühlschranktemperatur aufweist. Dennoch aß ich gerne Käse, der Körper gewöhnt sich halt an alles. Mehr zu meinem veganen Werdegang findet ihr in meiner Rubrik über mich.
Als ich mich endgültig entschloss, auf pflanzliche Kost umzustellen, fühlte sich das mental sehr gut an. Ich freute mich, dass nun keine Qual mehr in meinem Namen passierte und keine tierischen Proteine mehr mein System verstopfen und ermüden würden. Da ich jedoch nicht von einem Tag zum anderen meine Ernährung komplett umstellte, bemerkte ich körperlich keine großartigen Sprünge.
Ich hatte eigentlich schon immer vegan gekocht, weil ich Sahne oder Käse nur in kalter Form mochte und auch nicht in den Mengen verzehrte, die das Weglassen zu einer dramatischen Erfahrung gemacht hätte. Es waren eher kleine Schritte und anfangs gab es auch noch viele Ausnahmen – nicht aus Geschmacksgründen, sondern aufgrund fehlender Alternativen in der Öffentlichkeit. Inzwischen bin ich meist gut präpariert, bevor ich mich von zuhause weg bewege und somit nicht mehr darauf angewiesen, mich mit „kleinen Ausnahmen“ im Café oder auch bei Einladungen vor dem Verhungern zu retten.
Verändert hat sich also: ich lebe aufmerksamer, konsequenter und vorausschauender. Und ich bin auch manchmal verzweifelter und ärgerlicher. Als ich noch Vegetarierin war – auch während meiner rein pflanzlichen Phasen – war das ganze eben meine Spinnerei. Ich hatte selten Freunde, die sich auch vegetarisch ernährten, und ich hatte auch kein Problem damit. Irgendwie konnte ich es akzeptieren, dass der andere es eben nicht besser wusste. Da hatte ich aber auch noch nicht täglich das Leid vor Augen – welches ja auch damals schon ein tägliches Leid war.
Heute kann dieses tägliche Leid jeder täglich sehen, und es fällt mir schwerer, engere Beziehungen zu Menschen aufrecht zu erhalten, die dieses Leid offenen Auges unterstützen. Nicht über andere zu urteilen ist eine größere Herausforderung geworden.
Neben den gesteigerten emotionalen Belastungen und Aufgaben gibt es aber auch die sonnigen Veränderungen in der anderen Waagschale – und die wiegt um einiges mehr: Inspirierende Unterstützung durch viele tolle Menschen, die die gleiche Herausforderung angenommen haben, und die jeder auf seine ihm eigene Art und Weise meistert. Das Verfolgen innovativer Bewegungen und auch neuer fairer Marktchancen, die neben der pflanzlichen Ernährung eine Vision der Welt wirklicher machen, in der (vom Menschen gemachtes) Leid überflüssig wird. Und natürlich neue eigene Projekte und Ideen, die Gesellschaft zu begleiten, Menschen neugierig zu machen und werdende Veganer zu unterstützen. Und dann diese Freude über jedes Huhn und jedes Schwein, welches der Qual entkommen ist und somit auch die eigene Verzweiflung für ein paar Momente lindert.
Natürlich hat sich auch mein Wissen verändert: sowohl meine persönlichen Erfahrungswerte mit veganer Ernährung als auch mein Hintergrundwissen inklusive umweltpolitischer, gesundheitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhänge hat sich in den vergangenen Jahren enorm stabilisiert und erweitert, nicht zuletzt durch meine Tätigkeit als vegane Ernährungsberaterin.
Mein Verständnis von Tieren hat sich nochmal gewandelt bzw. geklärt. Dass Tiere leiden, habe ich noch nie in Frage gestellt – und dass meine jeweilige Katze mich nicht nur des Futters wegen liebt, war auch immer schon beweisbar. Dennoch bin ich selbst als Vegetarierin gedanklich selten weiter gegangen als: für mich soll kein Tier sterben oder leiden. Grundsätzlich habe ich die Nutztierhaltung akzeptiert, es sollte eben nur tierfreundlich, tiergerecht, artgerecht zugehen – und nicht auf dem Schlachthof enden.
Heute kann man der Wahrheit nicht mehr entkommen: ohne Fleischindustrie keine Milchindustrie, ohne Überzüchtung keine täglichen Hühnereier, und auch Milchkühe, ihre Kälber sowie Legehennen sterben millionenfach im Schlachthaus. Somit geht ovo-lacto-vegetarisch eben auch nicht ohne gewaltsamen Tod. Heute finde ich, dass kein Mensch das Recht hat, ein Tier zu versklaven. Dennoch war für mich damals die Entscheidung, (nur) kein Fleisch mehr zu essen in einer Zeit ohne die Informationsflut im Internet schon ein wichtiger Schritt der Distanzierung vom Tierleid – und ich bin zuversichtlich, dass auch die meisten heutigen Vegetarier irgendwann ihrer eigenen Logik weiter folgen.
Jetzt beim Schreiben merke ich, dass sich doch eine ganze Menge verändert hat, seit ich vegan lebe, aber ich will es nicht zu lang machen – Fazit: vegan zu leben verändert mich jeden Tag, es schärft mein Bewusstsein, stellt mich regelmäßig vor emotionale Herausforderungen, bringt meine Macken ans Licht, macht mich aber auch mutiger und stärker, es verbessert meine eigene kleine Welt inklusive meiner körperlichen Gesundheit und vereinfacht einen Alltag ohne Ausreden.
Veggie zu sein verändert also automatisch jeden Bereich des Lebens und außerdem macht es die Haut schön und schmeckt gut, womit wir beim Rezept wären.
Dazu befragte ich meinen Liebsten, worauf er gerade Appetit hätte und er sagte nur: „Hmm, auf diesen Brei.“ Also gibt’s hier nun ein
Schnelles Frühstücksrezept für süße Polenta:
- 1 Tasse Polenta pro Person in die 4fache Menge kochendes Wasser klümpchenfrei einrühren,
- Süßungsmittel nach Wahl, kleingeschnittener Apfel, Walnüsse, getrocknete Datteln und Aprikosen dazugeben,
- aufkochen, dann Herd abstellen, 5-10 Minuten quellen lassen,
- mit Zimt und Kardamom verfeinern und den Saft einer halben Zitrone (für eine 2-Personen-Portion) unterrühren,
- auf dem Teller mit Ahornsirup übergießen.
Enjoy the vegan thing <3
Und hier geht’s nochmal zur Blogparade.
Sehr guter, ermutigender Artikel. Ich kann mich da in fast allen Punkten anschließen. Es geht, glaube ich, vielen so, dass sie zunächst „tolerante“ VegetarierInnen sind, weil es einfach so ein großer Sprung ist im Vergleich zu den meisten anderen, die weiter ignorieren, wo ihr Fleisch etc. herkommt und man sich so noch nicht zu weit entfernt. Aber irgendwann merkt man, und traut sich auch zu sagen, dass es nichts ist, was toleriert werden sollte.
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danke dir sehr und ja, viele heutige Veganer sind vorher bereits langjährige Vegetarier gewesen – wieviel Leid man dennoch immer noch verursacht hat, war einem tatsächlich nicht so bewusst, bevor man es täglich in sozialen Netzwerken sehen konnte – von daher ist vegan zu werden nur der logische nächste Schritt für bewusste Vegetarier.. 😊
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